Süß ist sie schon, die eierlegende Wollmilchsau und es ist so verlockend, sie immer wieder aus dem Regal zu holen und muhen, gackern, blöken und oinken zu lassen. Kein Scherz, dieses Ding kann das! Es war ein Geschenk von einem Schweizer Kooperationspartner als Symbol dafür, dass die meisten Kunden genau das wollen und sicher nicht kriegen! Denn weder wir Berater noch unsere sehr geschätzten Kunden sind Wunderwuzzis und werden es auch nie sein.
Unlängst (also vor Corona) moderierte ich einen Strategieentwicklungs-Workshop gemeinsam mit einem Kollegen und nach einer umfassenden Analyse der aktuellen Situation hatte die Gruppe auf mehreren Flipcharts insgesamt ca. 10 mögliche strategische Stoßrichtungen formuliert. Nun ging es ans Priorisieren und das wurde ein sehr intensiver Prozess. Die Teilnehmer versuchten nämlich sehr geschickt, alles hoch zu priorisieren, sodass sie möglichst nichts weglassen müssen. Doch alle 10 Stoßrichtungen zu verfolgen, war aus zeitlichen, finanziellen und personellen Gründen völlig unmöglich! Nach längeren Diskussionen stellte sich heraus, dass das Weglassen in dieser Organisation irgendwie ein Tabu zu sein scheint und grundsätzlich alles Neue „on top“ passieren muss.
Wer von Ihnen kennt das? Oder besser: Wer kennt das nicht? Es ist eine völlig gängige Vorgangsweise, dass neue Strategien immer zusätzlich zu den alten ins Leben gerufen werden – frei nach dem Motto: Ok, liebes Schwein, sei jetzt auch eine Kuh und gib mir Milch! Und zwei Monate später erwarte ich das Eier legen usw … Selbst durchaus Multitasking-fähige Mitarbeiter und vielleicht noch mehr die Mitarbeiterinnen können da nicht mehr mit und erleben mindestens ein Motivationstief und im schlimmsten Fall ein Burnout ihrer Kräfte und Krankheit. Dabei sind auch Top-Führungskräfte nicht davor gefeit, in die Ich-schaffe-alles-Falle zu tappen. Manchmal wirkt es so, als hätten sie Angst, dass achtsames Priorisieren als Schwäche ausgelegt werden könnte. Doch wie Studien belegen, sind die beliebtesten Manager jene, die zwar freundlich zu den Menschen sind, doch konsequent in der Sache und sich nicht scheuen, harte Schnitte zu machen und diese durchzuziehen.
Selbstverständlich versuche ich mich selbst auch immer wieder an diesem vielseitigen, Milch und Eier liefernden Dingsda – als Beraterin ständig unterwegs, Häuslbauen am Land, den Kindern beim Lernen helfen, Weiterbildung in der Schweiz, zwischendurch ein Buch schreiben und fein Essen gehen mit Freunden und dann natürlich noch Laufen für die gute Figur und ganz in Ruhe ein Buch lesen ….uahhhh! Was lass ich jetzt weg? Im Zweifelsfall natürlich das Putzen! Aber im Ernst. De-Priorisieren ist eine hohe Kunst, die nicht viele engagierte Menschen können. Zuerst braucht es Entscheidung, Mut und Intuition und danach absolute Konsequenz im Durchhalten der getroffenen Wahl.
Probieren Sie es aus – machen Sie z.B. jetzt gleich eine Liste von möglichen Strategien, wie Sie Ihr Geschäft nach den Corona-Einschränkungen weiterführen könnten (Querdenken erlaubt!) und dann streichen Sie als erstes das durch, was Sie ganz sicher nicht machen werden (Wenn Sie nichts ausschließen wollen, dann streichen Sie das am wenigsten Wahrscheinliche!). Erst danach dürfen Sie bei den verbliebenen Punkte priorisieren und reihen. Das gleiche geht natürlich auch mit einer simplen To-do-Liste. Es könnte eine erleichternde Erfahrung werden …
Ich sende Ihnen einen herzlichen Gruß und bis bald!
Mira Meiler